– zwei Erlebnisberichte –

Lara (USA):

Vielfalt lebenHey you! Mein Name ist Lara, und ich lebe zurzeit seit knapp 9 Monaten in den USA. Bevor ich aber mein Auslandsjahr begonnen habe, war ich in der Vielfalt-Leben AG aktiv, in welcher wir uns mit der LGBTIQ+1 Community beschäftigt haben. In dieser Zeit habe ich sehr viel über das Thema, die Community, aber auch über mich gelernt. Als mein Auslandsjahr dann losging, war ich sehr neugierig und gespannt auf das, was mich erwarten würde. Das ist jetzt schon längst vorbei. Nach diesen 9 Monaten habe ich meinen festen Freundeskreis gefunden und in meiner Umgebung kenne ich mich bestens aus. Ich habe mir hier ein zweites Leben aufgebaut, welches sich von meinem in Deutschland aber komplett unterscheidet. Du fragst dich bestimmt gerade: „Ja gut, aber was hat das alles mit dem Titel des Artikels zu tun?!“. Ich komme ja noch dazu.

Das Thema LGBTIQ+ ist hier gar nicht so anders als in Deutschland. Die Schule, auf die ich hier in Springfield, Illinois gehe, hat ungefähr doppelt so viele Schüler*innen wie das WvS, was bedeutet, dass es auch mehr Schüler*innen aus der LGBTIQ+ Community gibt. Ich selbst habe Freunde in der Schule, die auch zur Community gehören. Einige gehen sehr offen damit um, andere eher weniger. Leider gibt es aber auch hier noch viele Leute, die Späße darüber machen, sagen dass es solche (LGBTIQ+) Menschen nicht gäbe oder sie einfach angewidert sind, wobei all diese Beispiele nur auf Unwissenheit und Intoleranz basieren, aber das ist ein anderes Thema.

Zurzeit ist dieses aber auch ein schwieriges Thema, hier in den USA, denn das Land ist wortwörtlich in zwei geteilt. Mit einem Republikaner als Präsidenten, haben es queere Menschen momentan echt nicht einfach. Aber man merkt mehr und mehr, wie es sich zum besseren entwickelt und Leute aktiv werden, gerade jetzt. Meine Gasteltern sind, worüber ich sehr froh war, LGBTIQ+ Supporter und in der Hinsicht auch sehr offen.

Ich freue mich schon sehr auf den 18. Mai, denn an dem Samstag ist hier in Springfield Pride Fest. Da geht man dann auf die Straße und feiert die LGBTIQ+ Community mit einer Demonstration, einem Straßenfest und allem anderen, was dazu gehört.

wallWährend meines Auslandsjahres habe ich aber auch New York und San Francisco besucht und dort, in den größeren Städten merkt man sehr, was für einen Anteil die LGBTIQ+ Gemeinde doch hat. Überall, wo man hinsieht, hängen oder kleben Regenbogenflaggen.

In meiner Zeit hier in den USA habe ich gemerkt, wie groß die LGBTIQ+ Community eigentlich ist und dass gerade jetzt die Zeit gekommen ist, in der sie zu ihrer vollen Pracht heranwächst und für mehr Gleichberechtigung und Akzeptanz kämpft.

 

1 LGBTIQ+ steht für lesbian, gay, bi, trans*, inter* und queer; Die Abkürzung wird genutzt, um über die Community der nicht heterosexuellen cis-Menschen zu sprechen. Das + steht für alle weiteren sexuellen Orientierungen und Identitäten, die sich der Community zuordnen.

 

Jost (Brasilien):

L (esben) S (chwule) B (isexuelle) T (rans) * (etc.) oder auch Queere-Menschen gibt es natürlich nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt in allen Kulturen. Also darüber brauche ich jetzt nicht zehn Jahre lange schreiben, denn das ist fakt. Aber viel interessanter ist es doch, wie es denn um die Akzeptanz und Rechte in anderen Ländern, insbesondere in meinem Falle in Brasilien steht.

In Sachen Recht können wir in jüngster Zeit wahrscheinlich die größten Veränderungen entdecken. So galt Brasilien immer in Sachen Recht als eines der fortschrittlichsten Länder, die es gibt und rechtlich war es schon früher an einem Punkt, an dem Deutschland es heute erst ist. Doch nach neuesten Gegebenheiten ist die LGBTIQ* Community schutzlos. Der Grund: der neue rechtspopulistische Präsident Brasiliens. Schon wenige Stunden nach Amtsantritt entzog er dem Menschenrechtsministerium die Zuständigkeit für LGBTIQ* Menschen, ohne die Zuständigkeit an eine andere Behörde zu übertragen. Aufgrund dessen ist die Queere Community nun quasi schutzlos. Des Weiteren hat sich die neue Menschenrechtsministerin auch schon häufiger offen gegen die sexuellen Minderheiten gestellt, wenngleich sie versichert, dass die Politik keine Absichten habe, die Rechte der LGBTIQ*-Community zu beschneiden. LGBTIQ* Aktivist*innen in Brasilien schenken dem jedoch keinen Glauben und sehen es nur als Ablenkungsmanöver. Da eines der Wahlkampfversprechen des Präsidenten zum Beispiel war, die „Ehe für alle“ wieder abzuschaffen und auch nur die Erwähnung von Homo- und Transsexualität in der Schule zu verbieten. Und die Angst, dass der Präsident dies umsetzen wird, ist existent und enorm. Nachdem klar war, dass dieser Kandidat Präsident werden würde, stieg die Zahl der gleichgeschlechtlichen Hochzeiten extrem an aus Sorge, dass dies bald nicht mehr möglich sein würde.

Aber was wäre das Leben ohne ein „Aber“. Denn trotz der derzeitigen schlechten Situation erlebe ich es hier in Belo Horizonte doch eher anders. Die ersten Wochen, wenn nicht sogar Monate war ich beeindruckt, wie viele gleichgeschlechtliche Paare ich alleine schon bei meinen zehn Minuten Warten an der Bushaltestelle gesehen habe, geschweige denn abends/nachts auf den Straßen. Natürlich hatte auch der Karneval einiges an queeren „Blocos“ (Straßenfesten) wie auch andere Festtage wie zum Beispiel St. Patrick‘s Day zu bieten. Dennoch waren auch bei den nicht speziellen queeren Festen alle sehr offen und ich habe häufig gleichgeschlechtliche Paare gesehen, das heißt es war so ziemlich das normalste der Welt alle paar Meter zu sehen, wie sich zwei Frauen küssen oder zwei Männer händchenhaltend die Straße entlang gehen. Zudem war es auch schön zu sehen, dass zumindest, so wie ich es mitbekommen habe, nie homophobe Beleidigungen kamen oder gar homophob motivierte Gewalt vorzufinden war.

Auch in meiner Klasse habe ich mal herumgefragt, was meine Mitschüler*innen denn eigentlich tun würden, wenn sich ihr Kind als homosexuell oder bisexuell outen würde. Dabei ist schließlich herausgekommen, dass niemand ein Problem damit haben würde und alle ihre Kinder auch weiterhin lieben und unterstützen würden. Damit scheint es zumindest für unsere Generation, soweit ich das sehe, kein Problem zu geben. Anders geht es wohl, soweit mir dies Freunde berichteten, in der Generation unserer Eltern zu, was keinesfalls heißen soll, dass in dieser Generation alle homo- und bi-feindlich sind, doch zumindest wäre hier ein kleiner Teil sehr unglücklich über ein Kind der queeren Gemeinschaft und würden dieses auch nicht im ganzen akzeptieren.

Abschließend kann ich sagen, dass es rechtlich in der Vergangenheit bedeutend besser aussah als heute und wahrscheinlich auch in naher Zukunft, dafür wandelt sich die Akzeptanz in der Gesellschaft doch eher zum Besseren.