2015-Mahler-Orchester-TfNDas Orchester des Theaters für Niedersachsen TfN

Als unser Chorleiter Herr Stettin uns Mitgliedern des Chores II - den Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen 7 bis 12 - vor einigen Wochen überaus begeistert verkündete, dass wir für ca. 15 Minuten bei einem knapp zweistündigen Gustav-Mahler-Konzert in Hildesheim mitmachen dürfen, waren wir alle zunächst nicht ganz so überzeugt und begeistert wie er. Kein Wunder, denn kaum einer von uns wusste eigentlich richtig, worum es dabei ging. Gustav Mahler? – Irgendein alter Komponist halt...
Weit gefehlt, denn Herr Stettin ermöglichte unserem Chor bei einer Aufführung einer der wohl großartigsten und beeindruckendsten Symphonien des 19. Jahrhunderts in der Hildesheimer St. Michaelis-Kirche mitzuwirken.

Gemeinsam mit den Symphonieorchestern des Theaters für Niedersachsen und den Lüneburger Symphonikern, den Opernchören, Extrachören und Solisten durften wir an der Aufführung der Auferstehungssymphonie (Symphonie Nr. 2 c-moll) von Gustav Mahler mitwirken.
Entsprechend intensiv gestalteten sich auch die vorbereitenden Chorproben in der Schule. Ein ums andere Mal forderte unser Chorleiter uns dazu auf, doch bitte mit mehr Disziplin und dem „richtigen" Gefühl zu singen und das Wunder der Auferstehung nicht herunterzuleiern wie ein notwendiges Übel.
Spätestens als wir am Auftrittstag nach der gemeinsamen Anreise per Bus im gewaltigen Altarraum der romanischen St. Michaelis-Kirche neben den übrigen Chorsängern standen und in der knapp dreistündigen Generalprobe den bewegenden und zuweilen ohrenbetäubend vollen Klang der Symphonieorchester in Symbiose mit den beiden Solistinnen und den Chören hörten, war das erhebende Gefühl der Auferstehung mit dem „richtigen" Gefühl auch bei uns Schulchor-Sängern angekommen.
In Mahlers spätromantischer Komposition werden der Gegensatz von Leben und Tod sowie die auf den Tod folgende Auferstehung thematisiert. Das geschieht in einer Tonsprache, die einen zuweilen stark melancholisch, nachdenklich und betrübt werden lässt, aber auch zu transzendenter Klarheit erhebt.
Gerade der letzte Satz, in dem wir als Chor aktiv mitwirken durften, ließ eine Ahnung von der Herrlichkeit der Auferstehung und Erlösung spüren. Der gewaltige Tonumfang der fast 90 Musiker und rund 250 Sänger, verstärkt durch die großartige Akustik des alten Kirchenschiffes, hatte eine unbeschreiblich erfüllende Gänsehaut-Wirkung. Diese Klangerfahrung bei der Generalprobe versetzte uns in die richtige Stimmung für das abendliche Konzert, auf das wir uns alle sehr freuten.
Den restlichen Nachmittag vor Beginn der Aufführung um 19 Uhr verbrachten wir bei strahlendem Sonnenschein entweder gemütlich durch Hildesheim schlendernd oder Döner-essend auf der Wiese vor St. Michaelis – es hatte insgesamt etwas von Ausflugsstimmung.
Besonders mir als Abiturient tat diese außerschulische Betätigung und die Fokussierung auf etwas Musisches so kurz vor den Abiturklausuren sehr gut, um nicht vom Lernstress erdrückt zu werden.
Als wir dann abends in der Kirche unsere Plätze im Altarraum auf den Bänken einnahmen, waren viele von uns doch sehr aufgeregt. Das Konzert selbst ist mir vor allem durch die enorme Diversität der Melodien und Rhythmen in Mahlers Komposition und die körperlich spürbaren Töne der Kontrabässe und der großen Trommel in Erinnerung geblieben. Das Gefühl, das sich einstellte, als wir schließlich gemeinsam mit den anderen Chorsängern im letzten Satz den erlösenden Abschluss „Auferstehen, ja auferstehn" aus voller Kehle sangen, ist nahezu unmöglich, in Worte zu fassen. Das Publikum in der vollbesetzten Kirche jedenfalls honorierte die Leistungen der Orchester und der Chöre mit stehenden Ovationen und tosendem Applaus, der fast an die Lautstärke des Orchesters heranreichte.
Auf der Rückfahrt nach Bad Harzburg zeigte sich Herr Stettin nicht nur mindestens ebenso begeistert von den Klängen wie wir, sondern er war auch sichtlich erleichtert, zufrieden und sogar stolz, dass sich die Probenarbeit und der Aufwand derartig gelohnt hatte. Auch die Mitglieder der anderen involvierten Chöre hatten sich positiv überrascht gezeigt von unserer Sangesfreude und -kunst. Waren wir doch mit Abstand die Jüngsten...
Der Auftritt in Hildesheim war dementsprechend ein tolles musikalisches gemeinschaftliches Erlebnis, bei dem uns Herr Stettin (wieder einmal) ermöglichte, über den Tellerrand eines Schulchores hinauszublicken. Für mich persönlich war es ein schöner Meilenstein zum Ende meiner Schulzeit am Werner-von-Siemens-Gymnasium.

Leon Hausdörfer, Jg. 12

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